Die Geschichte über ein ungeplantes Kind mit einer nicht ganz einfachen Schwangerschaft und einem guten Ende
Schwangerschaft und Geburt von Mia
Ein Kind zu bekommen - dies war der letzte Gedanke, den ich im Frühsommer 2009 haben konnte! Als Geschäftsführerin eines Hundezentrums, gerade erst seit 4 Monaten in einer neuen Beziehung, den ganzen Tag lang Stress im Geschäft und am Wochenende Partys mit viel Alkohol -das war mein Leben. Einen Kinderwunsch hegte ich bis dato nicht, wie um alles in der Welt sollte ein Kind denn in dieses Leben passen?
Ich war ein Mensch, der nach allem und jedem schaute, nur nicht nach sich selbst. Meine eigenen Bedürfnisse und mein eigenes Wohlergehen hatte ich ganz hinten angestellt. Damals war ich mir sicher, dass dies die optimale Lebensart sei -so ließe sich mehr Leistung erzielen und das Geschäft würde besser und besser laufen.
Oh Gott, ich bin schwanger!
Es war Juni, als ich eines Morgens im Drogeriemarkt einen Schwangerschaftstest kaufte. Meine Periode war längst überfällig und ich fühlte mich seltsam. Meine Brust spannte und mir war schwindelig und übel am Morgen. Irgendwie glaubte ich nicht wirklich an eine Schwangerschaft, ich kaufte den Test einfach nur, um mir selbst zu beweisen, dass alles in Ordnung sei. Und dann kam der Schock: Zwei blaue Streifen auf dem Stäbchen - schwanger! Das konnte doch nicht sein! Ich fuhr in die Apotheke und kaufte 3 weitere Tests, von unterschiedlichen Marken. Das mag verrückt klingen, aber es schien mir am plausibelsten, dass der Test falsch gemessen hatte. Nach drei weiteren, positiven Tests realisierte ich es schließlich nach und nach: ich bin schwanger!
Was nun? Abtreiben? Soll ich es meinem Freund überhaupt sagen? Wie wird er reagieren? Was soll ich nur tun? Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, rief ich meinen Freund auf dem Handy an. Er war gerade auf Montage unterwegs. Ich weinte ihm die traurige Gewissheit ins Telefon. Zu meinem Erstaunen: er freute sich! Es folgten Wochen der Zerrissenheit. Mein Freund Markus hatte sich von der ersten Minute an für das Kind entschieden, die Gespräche mit ihm taten mir sehr gut. Der erste Termin beim Frauenarzt war schlimm für mich: ich schaffte es nicht einmal, auf den Bildschirm des Ultraschallgerätes zu schauen.
Ich begann mich nun intensiv mit dem Thema zu befassen -weglaufen half nichts, schließlich war ich bereits schwanger. Im Internet bestellte ich mir verschiedene Bücher aus verschiedenen Richtungen -naturheilkundliche Bücher, schulmedizinische Bücher, am besten alles ohne Bilder (irgendwie ängstigten mich Fotos und Zeichnungen zu dem Thema erst recht). Ich las und lernte zunächst einmal alles mögliche zum Thema Schwangerschaft und Geburt. Schnell war klar: WENN ich das Kind annehme, dann gehe ich den natürlichen Weg. D.h., ich vertraue der Natur und werde alles weitestgehend ohne Besuche in Arztpraxen und Krankenhäusern durchlaufen. So kam dann auch das Interesse an einer Hausgeburt. Ich hatte mir das Buch "Hebammensprechstunde" von Ingeborg Stadelmann gekauft und kam über genau dieses Buch schließlich zu einem Adressenverzeichnis für Hausgeburtshebammen. Ich vereinbarte bei gleich 3 Hebammen jeweils einen Termin zum Kennenlernen. Nachdem ich im August Birgit besucht hatte war klar: hier stimmt einfach alles - sie war mir und auch Markus von Anfang an sehr sympathisch. Der erste Termin bei Birgit war sicherlich nicht geprägt von Vorfreude meinerseits. Ich saß neben Markus bei ihr auf dem Sofa und weinte, erzählte, dass ich mich gar nicht darauf freue, dass ich nicht weiß, wie ich das schaffen soll usw.. Birgit ging ganz toll mit der Situation um, es folgten weitere Gespräche, die mir sehr gut taten und ich schließlich sagen konnte: ich habe mich für das Kind entschieden! Ich hatte große Angst, es standen viele innere Konflikte im Raum -aber ich war entschlossen, es zu schaffen.
Diskussionen mit mir selbst
Aus irgendeinem Grund war es wichtig, dass passiert war, was eben passiert war. Nichts begegnet einem im Leben umsonst. Ich vertrete die Einstellung, dass alles, was einem im Leben begegnet eine Prüfung ist. Eine Chance, daraus zu lernen und daran zu reifen. So war es nun meine Aufgabe, mich mit dem kleinen Leben, was nun in mir heranwuchs anzufreunden. Das ist gar nicht so leicht, wenn man doch bisher nicht einmal Freund mit sich selbst war. So lernte ich zunächst, meine eigenen Bedürfnisse zu spüren und ihnen nachzugehen. Ja, selbst Hunger und Durst, bzw. Zeit zum Essen, Trinken und Schlafen musste ich mir nun bewusst nehmen. Was läge da näher, als für alles und jedes einen "Termin" zu machen. So, wie ich den ganzen Tag über Termine machte, erhielten diese essentiellen Dinge eben auch Termine. Nein einfach war es nicht. Immer wieder kam Wut auf, ja sogar Wut auf das Baby, was mich in eine Lage zwingt, die ich so schwer annehmen kann. Nicht mehr schwer heben, weniger Stress.......all diese "Regeln" waren für mich unglaublich schwer umzusetzen. Bloß keine Schwäche zeigen! Jede Minute, die ich "effektiv" in Arbeit investiere ist kostbar. Von diesen Gedanken musste ich lernen, wegzukommen. Aber ich schaffte es nach und nach immer besser. Eine andere wichtige Lektion war es, Hilfe von anderen Menschen annehmen zu können. Das war anfangs fast undenkbar. Markus war zu dieser Zeit noch unter der Woche auf Montage. Wir sahen uns praktisch nur am Wochenende. Unter der Woche telefonierten wir regelmäßig, was mir sehr gut tat.
Mit einem Ungeborenen Hundefutter machen
Bald hatte ich gelernt, dass es nichts besseres gibt, als einen intensiven Kontakt zum ungeborenen Kind aufrecht zu erhalten. Mir gelang dieses in ruhigen Momenten einfach mental, also durch Gedankenkraft. Doch auch im Beruf und im Alltag erwies es sich als durchaus positiv. So hatte ich zugleich auch ein besseres Gefühl dazu, was ich brauche und vor allem ein besseres Maß für die Leistungen, die ich über den Tag erbrachte. Kurz gesagt: durch einen intensiveren Kontakt, ein stetig aufrechtes Bewusstsein mit und bei dem Baby ersparte ich es meinem Körper mir zu signalisieren, wann es genug ist (z.B. durch Erschöpfung, Schmerzen etc.). Also fand ich in jeder Lebenslage eine eigene Form der Kommunikation. In Momenten, in denen meditative Zustände für mich nicht erreichbar waren, begann ich einfach laut mit dem Baby zu sprechen, erzählte ihm, was wir nun machen und wie wir es machen. Täglich stand ich mehrmals in der Futterküche meines Hundehotels und bereitete mit dem Baby für die Hotelgäste das Hundefutter zu. Unternehmungen, die anstrengend aber unvermeidbar waren, bestritten wir auf genau diese Weise gemeinsam: lange Autofahrten waren für das Baby bisher Anlass gewesen, mich unentwegt heftig in die Rippen zu treten - ein ruhiges Zwiegespräch im Vorfeld milderte dies oder vermied es gänzlich.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Nein und auch mir gelang es nicht ganz, mit dem Tempo der voranschreitenden Schwangerschaft mitzuhalten. Und so kam es, dass mein Körper für eine kurze Zeit das Steuer in die Hand nahm und mir eine Lektion erteilte. Es war irgendwann im November, als ich urplötzlich ein Flimmern auf dem rechten Auge sah. Binnen Minuten wurde es immer dunkler und ich war schließlich auf dem rechten Auge komplett blind. Mein Gesicht, meine Zunge und auch mein Arm wurden nach und nach taub. Es war fast schon etwas leichtsinnig, dies als Stresssymptom zu deuten, jedoch legte ich mich noch abends ins Bett und versuchte zu schlafen. Als am nächsten Morgen keine Besserung eintrat, fuhr mich Markus in die Klinik. Dort wurde ich total auf den Kopf gestellt. Zunächst ein CT, einen Schlaganfall konnte man ausschließen. Dann folgten unzählige Untersuchungen der Augen, Nerven usw.. Seltsamerweise war ich noch immer ganz ruhig, ich war mir sicher, dass der Ursprung des Ganzen irgendwo in meinem Rücken zu finden war. Also verließ ich die Klinik auf eigene Verantwortung und kümmerte mich um meinen Rücken. Ich besuchte zunächst eine Ostheopathin, die mir Birgit empfohlen hatte. Nach wenigen Tagen trat auch eine Besserung ein. Schließlich besuchte ich eine Therapeutin, die einen "Regenerationsimpuls" nach der traditionellen, chinesischen Medizin einsetzte und mein Leiden verschwand. Zu langes Stehen, Laufen und zu wenig Ruhepausen hatten einfach den ganzen Körper - insbesondere den Rücken - überfordert.
Das Gegenteil von "gut" ist "gut gemeint"
Wie sicherlich jede Schwangere, die ihr erstes Kind erwartet, bekam ich unentwegt Ratschläge von anderen Müttern. Das konnten Verwandte und Freunde sein, ja selbst Kunden sprachen mich an. Das Thema "Hausgeburt" scheint in der heutigen Zeit, in der Kinder standardmäßig in Krankenhäusern geboren werden, einfach immer Anlass zu sein, über dramatische Geburten und überhaupt alle nur denklichen Komplikationen zu sprechen. Dass sich unser Zuhause mit uns auch noch 5 eigene Hunde teilten, setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Man hätte meinen können, in den Augen der anderen warteten unsere Hunde nur darauf, bis das Kind geboren ist, um es dann auffressen zu können.
Da lag es nahe, das Thema irgendwann einfach nicht mehr zur Sprache zu bringen. Für mich kam kein besserer Ort für eine Entbindung in Frage, als mein eigenes zu Hause. Hier fühle ich mich am Wohlsten. Zudem habe ich eine regelrechte Krankenhaus-Phobie durch viel schlechte Vorerfahrung in anderen Dingen entwickelt.
Ich vermied es schließlich überhaupt, über das Thema Schwangerschaft zu sprechen. Gerade wenn es um die angeblich "typischen" Wehwehchen ging, wollte ich einfach nur weghören. Und zum Glück kann ich sagen, dass ich gerade von diesen Wehwehchen fast gänzlich verschont geblieben bin: Keine Wassereinlagerungen, keine Schwangerschaftsstreifen etc.. Das mag Veranlagung sein, an der Lebensweise liegen (viel Bewegung draußen) oder einfach nur Glück sein. Zumindest habe ich keine Zeit mehr in Sorgen und irgendwelche Vorsorgemaßnahmen investiert, die solche Gespräche nur zu gerne auslösen.
Hier taten mir die Gespräche mit Birgit auch sehr gut. Sie hatte stets tolle Tipps und Anregungen aus der Naturheilkunde, wenn doch mal irgendwo "der Schuh drückte". Gerade auch bei dem Lernprozess, den ich mit mir selbst zu durchlaufen hatte, fand ich immer wieder Rat und aufbauende Gespräche bei ihr.
Endspurt
Die letzten Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin kam Birgit zu uns nach Hause. Dort machten wir auch die Vorsorgeuntersuchungen und bereiteten alles auf die Hausgeburt vor. Markus arbeitete auch nicht mehr, so kann er mich besser im Gewerbe unterstützen. Als Frau in der Selbstständigkeit hat man leider weder Anspruch auf Mutterschutz noch auf sonstige Unterstützung. So blieb praktisch nichts anderes übrig, als bis zum letzten Tag weiter zu arbeiten -eine Aushilfe konnten wir uns nicht leisten.
Im letzten Schwangerschaftsdrittel plagte mich ein doofer Hautausschlag. Es fing an Bauch und Brüsten an und breitete sich über den ganzen Körper aus. Das juckte wie verrückt! Tubenweise Solesalbe und Bäder in Salzwasser verschafften Linderung. Aber ich kam erst sehr spät dahinter, an was es letzten Endes lag: ich reagierte auf säurehaltiges Essen. Rohes Obst und Gemüse, Fruchtsäfte und auch Süßigkeiten konnte ich irgendwie nicht mehr vertragen. So stieg ich auf eine weitestgehend basische Ernährung um und es wurde besser. Nächtliche Wadenkrämpfe in der letzten Woche bekam ich mit dem Schüssler - Salz Nr. 7("magnesium phosphoricum") in den Griff -auch wieder ein toller Tipp von Birgit!
Zeit des Rückzugs
Als der errechnete Termin verstrichen war und die Geburt noch auf sich warten ließ, wurden die Menschen in meinem Umfeld für mich immer unerträglicher: Mehrfach täglich klingelte das Telefon, es wurde ständig und überall voller Sorge nach der Geburt gefragt. Jetzt war für einige Familienmitglieder auch das Thema Hausgeburt wieder Grund zur Ansprache, da das Kind ja nicht "pünktlich" da ist. Ich war nur noch genervt und zog mich absolut zurück. Die letzten 4 Tage wollte ich nicht mehr ans Telefon gehen, beantwortete keine SMS mehr, ließ keinen Besuch mehr kommen und besuchte auch niemandem im Familien/Freundeskreis.
Ich war ganz ruhig. Dass der Entbindungstermin überschritten war, beunruhigte mich nicht im geringsten. Irgendwie ist Schwangerschaft ein Zustand, in dem man sich auf seine Urinstinkte verlassen kann. Am darauffolgenden Sonntag sollte Vollmond sein. Schon vor meiner Schwangerschaft hatte ich fast immer pünktlich zu Vollmond meine Periode bekommen. Mein Gefühl sagte mir, dass es auch mit der Entbindung an Vollmond soweit sein konnte.
"Ups...jetzt kannst du Birgit anrufen"
Den Sonntag vor der Vollmondnacht verbrachte ich wie gewohnt mit leichteren Erledigungen und Arbeiten im Gewerbe. Als der Abend näher rückte, bekam ich leichte Wehen. Zu dem Zeitpunkt stand ich noch in unserem Laden und beriet eine Kundin. Etwas später machten wir Feierabend und gingen rauf in die Wohnung. Die Wehen kamen noch immer, aber noch in viel zu großen Abständen. Markus war schon total nervös. Er fragte ständig, ob er denn jetzt Birgit anrufen sollte. Ab etwa 20:00 Uhr wurden die Wehen stärker und die Abstände verkürzten sich plötzlich. Aus 10 Minuten wurden 7 und schließlich 5 Minuten. Ich hatte es mir gerade auf dem Sofa bequem gemacht, als der Blasensprung kam. "Ups...jetzt kannst du Birgit anrufen". Während Markus telefonierte, war es meine größte Sorge, dass das Fruchtwasser Flecken auf dem hellgrauen Sofa hinterlassen konnte und ich begann auch noch zu putzen. Es schien mir in dieser Situation sowieso am Wichtigsten, etwas Sinnvolles zu tun.
Die Wehen wurden aber rasch stärker. So stark, dass ich mich bei jeder Wehe einzig und allein auf mich und meine Atmung konzentrierte. Putzen war jetzt egal!
Bis Birgit bei uns war, hatte Markus das Sofa zu einem Bett umgebaut und mit Moltontüchern und Spannbettlaken präpariert. Die folgenden Stunden erlebte ich in einem regelrechten Trance - Zustand. Ich hatte mich auf das Sofa gelegt, hin und wieder trank ich einen Schluck Wasser, veratmete Wehe für Wehe. Birgit half mir, einen gleichmäßigen Atemrhythmus zu finden und eine bequeme Position zu haben. Irgendwann setzten die Presswehen ein. Irgendwie taten die überhaupt nicht mehr so weh, wie jede vorhergehende Wehe. Ich war hochkonzentriert. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, hätte nicht mehr sagen können, wie lange das Ganze gedauert hat. Irgendwann war das Köpfchen ganz unten. Birgit erklärte Markus noch, dass nun zunächst der Kopf, dann die Schultern und dann der ganze Rest geboren werden würde, als es plötzlich ganz schnell ging und unsere kleine "Mia" um 2:39 Uhr auf einmal herausflutschte. Ich konnte es erst gar nicht glauben, dass ich es schon geschafft hatte. Ich durfte Mia zu mir nehmen und bereits nach 10 Minuten begann sie zu trinken. Wir ließen die Nabelschnur noch eine ganze Weile dran, bis schließlich auch die Plazenta geboren war und die Nabelschnur nicht mehr pulsierte. Als wir die Plazenta gemeinsam begutachtet hatten, durfte Markus die Nabelschnur durchtrennen.
So hatte ich - hatten wir - es schließlich geschafft. Mia wog 3090g und war 50cm groß. Es war ein schmerzhaftes, aber doch schönes Erlebnis. Und das Beste ist: alles hat so stattfinden können, wie ich es mir vorgestellt hatte. Den Rest der Nacht konnte ich gar nicht schlafen. Ich war so überwältigt, dass ich stundenlang wach lag und die Kleine anschaute. Die erste Zeit nach der Entbindung kam Birgit täglich zu uns und betreute uns und die Kleine ganz toll.
Gedanken zum Schluss
Nein, ich erzähle dies nicht, um eine Hausgeburt "empfehlen" zu können. Ich möchte einfach meine Erfahrungen weitergeben. Nicht als "Empfehlung", nicht als "Geschichte, die glücklicherweise eine Happy End hat"...ich möchte erzählen, dass es sich lohnt, sich und seinem Körper zuzutrauen, ein Kind zu bekommen. Es ist etwas ganz Natürliches und die Natur hat dafür gesorgt, dass Kinder auch auf natürliche Weise geborgen werden. Ich wünsche allen Frauen dieses Urvertrauen wiederzufinden und sich in Begleitung einer so tollen Hebamme wie Birgit diesem Abenteuer hingeben zu können.
Grüße, Ina Merz