Meine Geburtserfahrung,von Irina M.
Cornelius, geboren 18.10.2021
Ich glaube an Gott und an Wunder. Anders gesagt ich glaube, dass der Mensch ein Wunder Gottes ist. In der Schwangerschaft und der Geburt werde ich Zeuge dieses unglaublichen Werdens eines menschlichen Wesens. Wie durch eine Lupe erblicke ich immer schärfer die Kontur eines Individuums, welches ich für neuen Monate beherbergen darfund nach den schmerzhaften Stunden der Geburt, endlich in den Armen halten kann.
Warum eine Hausgeburt?
Unser Sohn Cornelius kam bei uns Zuhause auf die Welt. Anders als seine drei Geschwister, die im Krankenhaus das Licht der Welt erblickten, entschieden wir uns bei unserem vierten Kind für eine Hausgeburt. Unsere Gründe waren vor allem die eigenartigen Corona-Maßnahmen in den Krankenhäusern. Allein der Gedanke, mein Mann könnte vielleicht nicht reingelassen werden, lösten in mir Stress aus. Bei allen bisherigen Geburten war er meine größte Unterstützung und Vertrauensperson, auf die ich mich auch in „Pandemie“-Zeiten verlassen wollte.
Bei der sehr langen Geburt unseres dritten Kindes, erlebten wir zudem einen Schichtwechsel mehrerer Hebammen, die wir aufgrund ihrer unterschiedlichen Ansätze auch in unangenehmer Erinnerung hatten. Wir wünschten uns eine vertrauensvolle Umgebung und eine vertrauensvolle Hebamme, die uns von Anfang bis zum Ende begleiten könnte. Da wir aber eine sehr hellhörige Wohnung hatten, verwarf ich den Gedanken einer Hausgeburt. Erst durch unseren recht spontanen Umzug aufs Land machte ich mich aktiv auf die Suche nach einer Hebamme, die Hausgeburten anbot.
Ich war sehr überrascht und dankbar, dass mir Birgit trotz meiner späten Anfrage ihre Betreuung zusagte. Die Treffen vorher taten mir und meinem Mann gut und machten uns in unserer Entscheidung sicher.
Wann ist es denn endlich soweit?
Jetzt hofften wir nur auf ein günstigen Zeitpunkt. Ich hatte mich schon Wochen vorher vorbereitet. Die Kliniktasche für den Plan B war gepackt, eine Telefonliste mit dem möglichen Babysitter hing an der Pinnwand, ein Hängetuch und ein Gymnastikball waren in Bereitschaft die Wehen abzufangen. Sogar ein Geburtstagskuchen wartete im Kühlschrank auf unseren „kleinen Klopfer“, wie ihn meine Kinder liebevoll nannten. Aber unser Klopfer ließ auf sich warten. Wir aßen den Geburtstagskuchen ohne das Geburtstagskind. Das Warten fiel mir besonders schwer. Und die Unsicherheit wuchs.
In dieser Nacht hatte ich wieder die Zeit gestoppt. Die Wehen kamen gleichmäßig, alle 10 Minuten, aber sie wurden nicht stärker. Sollte mein Mann wieder Urlaub nehmen? Er hatte schon einen Tag verbraucht, weil ich meinte es würde losgehen. Wir brauchten ja noch einige für die Weihnachtstage. Trotzdem hatte ich das Gefühl, diesmal ist es ernst. Ich weckte meinen Mann und sprach den berüchtigten Satz aus: „Ich denke, dass du heute Papa wirst.“ Ich bat ihn zu Hause zu bleiben. Am Morgen nahm ich ein Bad, in der Hoffnung, dass die Wehen stärker würden, aber das taten sie nicht, im Gegenteil, sie wurden schwächer. Meine Enttäuschung war groß.
Am Nachmittag hatte ich einen Termin mit Birgit. Ich war gespannt auf ihre Untersuchung, ob sich vielleicht am Muttermund was getan hat. Auch die Wehen kamen wieder, allerdings ungleichmäßig. Das Ergebnis ihrer Untersuchung war sehr unbefriedigend. „Es könnte heute losgehen, aber auch erst morgen oder in einer Woche.“ Was nun? Sollte sie fahren oder bleiben? Wir tranken gemeinsam einen Tee und unterhielten uns. Während dessen merkte ich, dass die Wehen stärker wurden und auch der Hebammeninstinkt von Birgit meldetet sich. Sie entschied sich zu bleiben. Ich bat meinen Mann unsere Kinder jetzt abholen zu lassen. Es war kurz vor 18:00 Uhr. Ich verabschiedetet mich von meinen Kindern und hoffte, dass unser Kleinster, der gerade mal ein Jahr und vier Monate alt ist, gut mitmachen würde. Es wäre seine erste Nacht, wo anders. Ich hörte noch wie das Auto mit unseren Kindern davon fuhr.
Die Geburt
Jetzt musste ich mich konzentrieren, richtig Atmen. Die Wehen wurden stärker. Ich versuchte sie „willkommen zu heißen“, denn sie sind es ja, die mich näher zum Ziel bringen. Doch es ist schwer einen Schmerz zu begrüßen, es ist eher das Abklingen dessen, was man ersehnt. Mein Mann und Birgit gaben sich viel Mühe mir die Schmerzen erträglicher zu machen, sie massierten mich, gaben mir zu trinken und sprachen mir immer wieder Mut zu. Ich sehnte mich danach zu schlafen, schmerzfrei zu sein, alles hinter mir zu haben. Aber der Kampf stand noch bevor und meine Kräfte ließen nach. Zwischendurch machte ich mir Sorgen über meine Fruchtblase, die bisher bei keinen meiner Geburten auf natürliche Weise geplatzt war. Ich wünschte mir, sie würde endlich platzen.
Alle meine Geburten brachten mich an die Grenze meiner körperlichen Stärke. Auch dieser Geburt würde ich am liebsten entfliehen. Die Wehen wurden immer heftiger und die Zeiten dazwischen kürzer. Ich pendelte zwischen Badezimmer, Flur mit Hängetuch und unserem Schlafzimmer. Meine letzte Geburt war über 14 Stunden lang und so war ich über die Wehen-Attacke überrascht, die mich gegen 22:00 Uhr plötzlich wie ein Hagelsturm bombardierte. Da war keine Zeit mehr sich auszuruhen und zu verschnaufen. Ich konnte mich nur noch an die Hand meines Mannes klammern und schreien, dass ich nicht mehr kann. „Du schaffst das“ „Atme, vergiss nicht zu atmen“ Eine feste Hand. Atmen, Schnaufen, die Seele aus dem Leib schreien, spüren wie sich etwas löst, eine Flut geht ab, das muss die Fruchtblase sein, Schmerzen, unsagbare Schmerzen, ich spüre das Köpfchen, drücken, mit voller Kraft, ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr.
Doch da. „Das Köpfchen ist draußen.“ Ich höre die überraschte Stimme meines Mannes. „Du hast es gleich geschafft!“ „Das Köpfchen ist draußen!“. Noch ein zweimal pressen. Ich hab es geschafft, ich hab es geschafft. Eine Flut der Erleichterung bemächtigt sich meinen Körper und da höre ich ihn auch schon, den Schrei des Lebens.
Endliche da
Endlich ist er da, ich kann es kaum fassen. Das Glück so nah bei den Schmerzen. Ich weine und danke Gott für meinen wundervollen Jungen. Er wird mir auf die Brust gelegt. Ein kleines Bündel Leben, schwarze Haare, eine kräftige Stimme. Er beruhigt sich und wir beschnuppern uns. Er ist keine Minute auf der Welt und sucht nach meiner Brust. Er findet sie und saugt kräftig. Er ist hungrig, wie ich. Ich lache und weine gleichzeitig, es ist vorbei und es ist ein neuer Anfang. Ich genieße seinen kleinen nackten Körper. Seine wachen Augen schauen mich an. Er darf bei mir sein, keiner nimmt ihn mir weg, er ist geborgen in meinen Armen. Die Nachwehen, der Dammriss und die Behandlung danach sind schmerzhaft, aber mit meinem Jungen im Arm erträglich. Mein Mann und Birgit machen alles sauber, sie sind beschäftigt, aber bei mir ist die Welt stehen geblieben. Ich halte ein neues Leben in meinen Armen, unschuldig und schön, ein vollkommenes Wunder, Gottes Geschöpf und ich darf nun seine Mutter sein.
Rückblick
Rückblickend sind mein Mann und ich froh und dankbar über die Hausgeburt, die nach unserer Vorstellung und Gott sei Dank auch ohne Komplikationen verlaufen ist. Wir konnten die Geschwisterkinder bis kurz vor der Geburt zu Hause lassen und alles rechtzeitig organisieren. Die vertraute Umgebung und uneingeschränkte Bewegungsfreiheit, dazu Birgit, die den ganzen Weg mitgegangen ist und uns dennoch machen ließ, empfanden wir als sehr angenehm. Besonders schön war es, dass wir unseren kleinen Erdenbürgen in unserem und nun auch seinem eigenen Zuhause willkommen heißen durften. Auch das Wochenbett war eine wunderbare Erfahrung zu Hause. Wenn ich daran denke, wie oft ich im Krankenhaus aufgestanden bin, von einer Station zur andern laufen musste und wie viel Personal und Besucher ins Zimmer aus und ein gingen, kann ich nur sagen, dass das Wochenbett zu Hause viel entspannter war. Mein Mann und meine Kinder bedienten und kümmerten sich rührend um mich, ich bekam Frühstück, Mittag und Abendessen ans Bett und konnte mich auf unseren kleinen Cornelius konzentrieren. Das Kindspech habe ich gar nicht gesehen, die Windeln waren in der ersten Woche auch Papas-Sache ... das nenn ich Luxus einer Hausgeburt J